1. Stellung des Einzelhandels in der Gesamtwirtschaft
1.1 Die Wirtschaftssektoren
Die Gesamtwirtschaft wird in drei Wirtschaftssektoren unterteilt:
- Primärer Sektor (Urproduktion): Gewinnung von Rohstoffen - Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Bergbau
- Sekundärer Sektor (Produktion): Verarbeitung von Rohstoffen - Industrie, Handwerk, Energiewirtschaft
- Tertiärer Sektor (Dienstleistungen): Handel, Banken, Versicherungen, Verkehr, Gastronomie
Wichtig: Der Einzelhandel gehört zum tertiären Sektor und bildet die Schnittstelle zwischen Herstellern/Großhandel und Endverbrauchern.
1.2 Funktionen des Einzelhandels
Der Einzelhandel übernimmt wichtige Funktionen in der Wirtschaft:
- Raumüberbrückung: Transport der Waren vom Hersteller zum Verbraucher
- Zeitüberbrückung: Lagerhaltung bis zum Verkauf
- Mengenausgleich: Einkauf in großen Mengen, Verkauf in kleinen Mengen
- Sortimentsbildung: Zusammenstellung verschiedener Waren für den Kunden
- Beratungsfunktion: Kundeninformation und -beratung
- Kreditfunktion: Zahlungserleichterungen für Kunden
2. Betriebsformen des Einzelhandels
2.1 Fachgeschäft
Spezialisierung auf eine bestimmte Warengruppe mit tiefem Sortiment und intensiver Beratung.
Beispiele: Buchhandlung, Schuhgeschäft, Elektronikfachmarkt
2.2 Kaufhaus
Großflächiges Einzelhandelsgeschäft mit breitem und tiefem Sortiment, meist in Innenstadtlagen.
Merkmale: Mehrere Etagen, verschiedene Abteilungen, Bedienungsverkauf
2.3 Warenhaus
Ähnlich dem Kaufhaus, aber mit noch breiterem Sortiment und zusätzlichen Dienstleistungen.
Beispiele: Karstadt, Galeria
2.4 Supermarkt
Selbstbedienungsgeschäft mit Lebensmittelschwerpunkt, Verkaufsfläche 400-1500 m².
Merkmale: Schneller Einkauf, günstige Preise, Selbstbedienung
2.5 Discounter
Niedrigpreisanbieter mit schmalem Sortiment und einfacher Warenpräsentation.
Beispiele: Aldi, Lidl, Netto
2.6 Verbrauchermarkt / SB-Warenhaus
Großflächiger Einzelhandel (ab 1500 m²) mit breitem Sortiment aus Food und Non-Food.
2.7 Fachmarkt
Großflächiges Geschäft mit Spezialisierung auf bestimmte Warengruppen.
Beispiele: Baumarkt (OBI, Hornbach), Möbelmarkt (IKEA)
2.8 Versandhandel / E-Commerce
Verkauf ohne Ladengeschäft über Kataloge oder Online-Shops.
Vorteile: Bequem von zu Hause, große Auswahl, oft günstigere Preise
3. Rechtsformen von Unternehmen
3.1 Einzelunternehmen
Der Einzelunternehmer führt das Geschäft allein und haftet unbeschränkt mit seinem gesamten Privatvermögen.
Vorteile:
- Einfache Gründung ohne Mindestkapital
- Alleinige Entscheidungsbefugnis
- Gesamter Gewinn steht dem Inhaber zu
Nachteile:
- Unbeschränkte Haftung mit Privatvermögen
- Kapitalbeschaffung oft schwierig
- Hohe Arbeitsbelastung
3.2 Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Zusammenschluss von mindestens zwei Personen für einen gemeinsamen Zweck. Alle Gesellschafter haften unbeschränkt.
3.3 Offene Handelsgesellschaft (OHG)
Personengesellschaft mit mindestens zwei Gesellschaftern, die unbeschränkt und gesamtschuldnerisch haften.
Besonderheit: Alle Gesellschafter sind zur Geschäftsführung berechtigt und verpflichtet.
3.4 Kommanditgesellschaft (KG)
Personengesellschaft mit zwei Gesellschaftertypen:
- Komplementär: Haftet unbeschränkt, führt Geschäfte
- Kommanditist: Haftet nur mit seiner Einlage, kein Mitspracherecht
3.5 Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH)
Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit. Haftung ist auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt.
Wichtige Merkmale:
- Mindestkapital: 25.000 € (davon 12.500 € bei Gründung einzuzahlen)
- Gesellschafter haften nur mit Einlage
- Geschäftsführer führt die Geschäfte
- Notarielle Beurkundung erforderlich
3.6 Aktiengesellschaft (AG)
Kapitalgesellschaft mit Grundkapital, das in Aktien zerlegt ist. Für große Unternehmen geeignet.
- Mindestkapital: 50.000 €
- Aktionäre haften nicht persönlich
- Vorstand führt Geschäfte
- Aufsichtsrat kontrolliert Vorstand
3.7 Genossenschaft (eG)
Zusammenschluss zur Förderung gemeinsamer wirtschaftlicher Interessen der Mitglieder.
Beispiele: REWE, EDEKA
4. Unternehmensorganisation
4.1 Aufbauorganisation
Die Aufbauorganisation regelt die Hierarchie und Zuständigkeiten im Unternehmen.
Einliniensystem
Jeder Mitarbeiter hat genau einen Vorgesetzten. Klare Weisungsbefugnisse, aber langwierige Entscheidungswege.
Mehrliniensystem
Mitarbeiter können von mehreren Vorgesetzten Anweisungen erhalten. Schnellere Entscheidungen, aber Gefahr von Kompetenzkonflikten.
Stabliniensystem
Kombination aus Einliniensystem mit zusätzlichen Stabsstellen (z.B. Rechtsabteilung, PR), die beratend tätig sind.
4.2 Ablauforganisation
Regelt die zeitliche und räumliche Gestaltung von Arbeitsprozessen.
- Wer macht was?
- Wann wird es gemacht?
- Wie wird es gemacht?
- Womit wird es gemacht?
4.3 Stellenbeschreibung
Schriftliche Festlegung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung einer Stelle.
Inhalt einer Stellenbeschreibung:
- Stellenbezeichnung
- Einordnung in die Organisation
- Aufgaben und Tätigkeiten
- Kompetenzen (Entscheidungs-, Anordnungs-, Verfügungsbefugnis)
- Verantwortung
- Anforderungen (Qualifikation, Erfahrung)
5. Die Ausbildung zum Verkäufer / zur Verkäuferin
5.1 Das duale Ausbildungssystem
Die Ausbildung findet an zwei Lernorten statt:
- Betrieb: Praktische Ausbildung, 3-4 Tage pro Woche
- Berufsschule: Theoretische Ausbildung, 1-2 Tage pro Woche
5.2 Ausbildungsvertrag
Der Ausbildungsvertrag regelt die Rechte und Pflichten von Ausbildendem und Auszubildendem.
Wichtige Vertragsinhalte:
- Ausbildungsberuf und Ausbildungsdauer (2 Jahre für Verkäufer/-in)
- Beginn und Ende der Ausbildung
- Probezeit (1-4 Monate)
- Ausbildungsvergütung
- Arbeitszeit und Urlaubsanspruch
- Kündigungsbedingungen
5.3 Rechte des Auszubildenden
- Anspruch auf Ausbildungsvergütung
- Freistellung für Berufsschule und Prüfungen
- Kostenlose Überlassung von Ausbildungsmitteln
- Anspruch auf Urlaub (bei Minderjährigen mindestens 25-30 Werktage)
- Anspruch auf ein Zeugnis
5.4 Pflichten des Auszubildenden
- Lernpflicht: Bemühung, Kenntnisse und Fertigkeiten zu erwerben
- Berufsschulpflicht
- Weisungsgebundenheit
- Sorgfaltspflicht im Umgang mit Betriebsmitteln
- Verschwiegenheitspflicht über Betriebsgeheimnisse
- Führen des Berichtshefts
5.5 Die Prüfung
Die Abschlussprüfung für Verkäufer/-innen besteht aus zwei Teilen:
- Schriftliche Prüfung: Verkauf und Marketing, Warenwirtschaft und Rechnungswesen, Wirtschafts- und Sozialkunde
- Praktische Prüfung: Fallbezogenes Fachgespräch (Kundenberatung/Verkaufsgespräch)
6. Arbeitsschutz und Arbeitssicherheit
6.1 Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG)
Schützt Jugendliche (unter 18 Jahren) vor Überforderung und gesundheitlichen Schäden.
Wichtige Regelungen:
- Maximale Arbeitszeit: 8 Stunden täglich, 40 Stunden wöchentlich
- Keine Nacht- und Wochenendarbeit (Ausnahmen im Einzelhandel)
- Ruhepausen: mindestens 30 Min. bei 4,5-6 Std., 60 Min. bei über 6 Std.
- Mindesturlaubsanspruch nach Alter gestaffelt
- Verbot gefährlicher Arbeiten
6.2 Arbeitszeitgesetz (ArbZG)
Regelt die Arbeitszeit für volljährige Arbeitnehmer:
- Maximale werktägliche Arbeitszeit: 8 Stunden (bis zu 10 Stunden möglich bei Ausgleich)
- Mindestruhezeit: 11 Stunden zwischen zwei Arbeitstagen
- Pausen: 30 Min. bei 6-9 Std., 45 Min. bei über 9 Std.
6.3 Unfallverhütungsvorschriften
Der Arbeitgeber ist verpflichtet, für Sicherheit und Gesundheitsschutz zu sorgen:
- Bereitstellung von Schutzausrüstung
- Unterweisung der Mitarbeiter in Arbeitssicherheit
- Gefährdungsbeurteilung am Arbeitsplatz
- Erste-Hilfe-Ausstattung
6.4 Betriebliche Sicherheit
Wichtige Sicherheitsaspekte im Einzelhandel:
- Rutschsichere Böden
- Sichere Lagerung schwerer Waren
- Korrekte Benutzung von Leitern und Hebebühnen
- Brandschutz und Notausgänge
- Ergonomische Arbeitsplatzgestaltung
7. Kommunikation im Unternehmen
7.1 Interne Kommunikation
Austausch von Informationen innerhalb des Unternehmens.
Kommunikationswege:
- Top-Down: Von Führungskräften zu Mitarbeitern (Anweisungen, Informationen)
- Bottom-Up: Von Mitarbeitern zu Führungskräften (Rückmeldungen, Vorschläge)
- Horizontal: Zwischen gleichgestellten Mitarbeitern (Zusammenarbeit)
Kommunikationsmittel:
- Mitarbeitergespräche
- Team-Meetings
- E-Mail, Intranet
- Schwarzes Brett
- Betriebsversammlungen
7.2 Externe Kommunikation
Kontakt des Unternehmens nach außen zu Kunden, Lieferanten, Öffentlichkeit.
- Kundengespräche und Beratung
- Geschäftskorrespondenz
- Werbung und Marketing
- Öffentlichkeitsarbeit (PR)
- Social Media
7.3 Professionelles Auftreten
Als Verkäufer repräsentierst du dein Unternehmen nach außen:
Wichtige Verhaltensregeln:
- Gepflegtes Erscheinungsbild
- Freundliche und höfliche Umgangsformen
- Aktives Zuhören
- Klare und verständliche Ausdrucksweise
- Positive Körpersprache
- Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit
- Diskretion und Verschwiegenheit